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Rostocker Ostermarsch 2020: Anstelle einer Demonstration

Es sollte eine Demonstration werden wie in den vergangenen Jahren: aktuell in ihren Forderungen, geschichtsbewusst in der Auswahl ihrer Stationen, bunt und vielfältig, mit Friedensbewegten aus ganz Mecklenburg-Vorpommern. „Nein zu Defender-2020!“ sollte ihr Motto sein. Aber in diesem Jahr haben wir aus Verantwortungsgefühl für die Gesundheit unserer Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Ostermarsch-Demonstration abgesagt, mit großem Bedauern.

Das bedeutet allerdings nicht, dass sich das Anliegen des Ostermarschs erledigt hat! Die US-Truppen führen ihr Manöver in reduzierter Form fort. Die Kriegsgefahr bleibt. Aus Deutschland sind sie größtenteils abgezogen. Aber das Virus, das sie verscheucht hat, ist da. Und gerade in dieser Situation wird deutlich, dass Militär überhaupt keine Probleme löst. Ein Virus kann man nicht erschießen. Stattdessen muss man sich von ihm zeigen lassen, was alles in einer durchökonomisierten und militarisierten Welt im Argen liegt: Das Gesundheitssystem brachte zu wenig Profite – musste heruntergespart werden, jetzt fehlen Material und Pflegekräfte. Prekäre wirtschaftliche Verhältnisse überall – jetzt müssen im Eilverfahren die „Schwarze Null“ aufgegeben und umfangreiche Hilfspakete beschlossen werden. Und für viele, deren Chancen schon immer schlecht waren – Behinderte, Familien unterhalb der Armutsgrenze, Obdachlose - , gibt es noch gar keine Lösungen.

Hinzu kommt das Risiko für die Geflüchteten. Sie leben sehr oft in Massenunterkünften und haben auch wirtschaftlich nicht die Bewegungsfreiheit, die anderen noch geblieben ist. Sie sind doppelt betroffen: Sie kommen bereits aus Kriegs- und Krisengebieten. Auch dafür, dass ihre Herkunftsländer Kriegs- und Krisengebiete bleiben, wurde in Deutschland gespart: damit weiter für Milliardenbeträge gerüstet werden konnte und weiter Soldatinnen und Soldaten in alle Welt geschickt werden konnten. Und das ist auch jetzt nicht vorbei: Sogar in Zeiten der Pandemie besteht die NATO weiter auf ihrem 2-Prozent-Ziel. Die neue EU-Operation „Irini“ ist ins Mittelmeer gestartet. Die Bundeswehreinsätze im Sudan und im Südsudan sind verlängert worden. Ein U-Boot wird von Deutschland nach Ägypten geliefert, vier Kriegsschiffe gehen an Israel, Munition und Zünder an Katar. Deutschland liefert weiter Kriegsgerät an die Länder, die im Jemen Krieg führen und dadurch für die humanitäre Notlage von 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung verantwortlich sind.

Ein Virus ist schwer zu beherrschen. In diesen unübersichtlichen Zeiten träumt in der Politik wohl so Mancher von harten Maßnahmen. Auch das ist eine Form der Militarisierung: erweiterte Polizeibefugnisse, Überwachung praktisch Aller durch Handytracking, bewaffnete Amtshilfe für die Polizei durch die Bundeswehr – im Ergebnis ein Land, in dem das Prinzip von Befehl und Gehorsam regiert. Aber bei allem Ernst der Lage: Angriffe auf das, was an dieser Gesellschaft noch demokratisch ist, müssen abgewehrt werden! Sie sind auch eine Bedrohung für den Frieden. Es müssen aber genauso auch die Kräfte von Rechts abgewehrt werden, die die Gefahr durch das Virus verharmlosen und sich als Retter der Freiheitsrechte inszenieren. Sie hoffen wahrscheinlich, dass das Virus erledigt, was ihnen selbst bisher nicht gelungen ist: Chaos und die endgültige Auflösung der Gesellschaft zu bewirken. Dann, hoffen sie, könnten sie die Macht übernehmen. Aber aus der Geschichte wissen wir: Das Erste, was sie dann täten, wäre, jegliche Demokratie abzuschaffen.   

2020 ist für die Ostermärsche ein besonderes Jahr. Vor 60 Jahren starteten die ersten Ostermärsche in der Bundesrepublik: Demonstrationen aus Bremen, Hamburg, Braunschweig und Hannover zogen drei Tage lang zu einem NATO-Truppenübungsplatz. In Rostock organisiert das Rostocker Friedensbündnis seit 2005 jährlich einen Ostermarsch. Vor 15 Jahren ging es dabei um die militärischen Aspekte des Entwurfs der EU-Verfassung. Seitdem haben unsere Ostermärsche immer wieder auf die Militarisierung der Region hingewiesen und darauf, welche Probleme wirklich zu lösen wären: Armut, Arbeitslosigkeit, Chancenungleichheit, Klimaschäden. Rostock heute ist die „Hauptstadt der Marine“. Es ist Standort des Marinekommandos, das NATO-Einsätze in der Ostsee und demnächst weltweit koordinieren soll.

Diese Entwicklung ist nicht nachhaltig, sie bindet Ressourcen und dient nur der Durchsetzung bundesdeutscher ökonomischer und strategischer Interessen. Gerade im Angesicht der jetzigen Pandemie muss eine Umkehr erfolgen! Friedensbewegte werden auch weiterhin die beobachtbare Aufrüstung in Industrie und Wissenschaft in der Region kritisieren und gegen sie protestieren. Das Rostocker Friedensbündnis hat den Oberbürgermeister von Rostock bereits im September 2019 aufgefordert, sich der Bewegung der „Mayors for Peace/Bürgermeister für den Frieden“ anzuschließen. Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt dafür!   

Der Rostocker Ostermarsch 2020 lebt! Allen frohe, gesunde und kämpferische Ostern!

Rostocker Friedensbündnis

Deutsche Friedensgesellschaft-Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Regionalgruppe Mittleres Mecklenburg

DIE LINKE Rostock

DKP Rostock

Ernst-Ludwig Iskenius, Arzt, IPPNW-Mitglied, 19249 Lübtheen

RotFuchs Rostock

SDAJ Rostock