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Rostocker Friedensbündnis zum 75. Jahrestag des Überfalls des faschistischen Deutschland auf die Sowjetunion

Am Morgen des 22. Juni 1941 überrannte die faschistische deutsche Wehrmacht die Grenze zur Sowjetunion. Ihre wochenlangen Truppenkonzentrationen im Osten, vonseiten der Sowjetunion unterschiedlich beurteilt, waren Kriegsvorbereitungen gewesen. Sogar der Termin des Überfalls war von Kundschaftern vorausgesagt worden. Ihren Voraussagen wurde aber nicht geglaubt. Lange hielt sich in der Sowjetunion die Formulierung vom „wortbrüchigen Überfall“ durch Deutschland. Sie nahm Bezug auf den Molotow-Ribbentrop-Pakt von 1939, der beiden Seiten sowohl eine zeitweilige Sicherheit an einer ihrer Fronten als auch, durch sein geheimes Zusatzprotokoll, territoriale Gewinne versprach. Was weitsichtige Zeitgenossen damals schon kritisiert hatten, erwies sich jetzt: Mit Faschisten war und ist kein ehrlicher Vertrag zu schließen.

Auch dieser Krieg, wie jeder Krieg, hätte verhindert werden können. Aber es erschien den europäischen Mächten viel zu vorteilhaft, die Sowjetunion ausbluten zu lassen, als dass sie ernsthafte diplomatische Anstrengungen unternommen hätten. Einzelne Personen retteten unter großen persönlichen Risiken Juden und andere Verfolgte. Die anderen fielen der Vernichtungsmaschinerie anheim. Die Faschisten hatten genaue Vorstellungen davon, was sie aus dem Land herausholen wollten und was mit den Menschen geschehen sollte. Internationale Abkommen über die Behandlung von Kriegsgefangenen oder den Schutz der Zivilbevölkerung spielten für sie keine Rolle, wenn es um die Sowjetunion ging. Unser Bündnis sah 2014 auf einer Friedensfahrradtour im ehemaligen KZ Sachsenhausen eine Genickschussanlage, in der allein in den ersten Monaten nach dem 22. Juni 10.000 sowjetische Kriegsgefangene getötet und anschließend in mobilen Krematoriumsöfen verbrannt worden waren. Führungskräfte aus anderen Konzentrationslagern hatten dabei zugesehen und von dieser Technik gelernt. 3,3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene kamen in Lagern um. Noch um ein Vielfaches höher war die Zahl der zivilen Opfer. Allein im belagerten Leningrad starb ein Drittel der Einwohner. Das Land mit dem anderen Gesellschaftssystem sollte niedergerungen werden, nach außen hin begründet mit der These vom Volk ohne Raum und der Minderwertigkeit nichtdeutschen Lebens.

Der Überfall auf die Sowjetunion ist kein Ruhmesblatt der deutschen Geschichte. Es ist daher kein Wunder, dass immer wieder versucht wird, ihn umzudeuten. Ebenso, wie der Überfall damals den rechten Kräften in der internationalen Politik nützte, profitieren diese heute davon, wenn die Umdeutung gelingt. Erst kürzlich wurde in einer Tageszeitung in Mecklenburg ein Buch beworben, das die These vom Präventivkrieg Hitlers vertrat: Die Wehrmacht sei nur einem drohenden Überfall seitens der Sowjetunion zuvorgekommen. Erschienen ist das Buch in einem der größten rechtsradikalen Verlage Deutschlands. Das Buch und die Werbung für das Buch fördern die rechten Umtriebe, die unter Namen wie Pegida und AfD heute mit einer Selbstverständlichkeit die Straßen und die Parlamente für sich reklamieren, wie sie vor Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Das ist unverantwortlich und muss angeprangert werden, gerade in dieser Zeit.

In dieser Begünstigung rechter Kräfte sehen wir die Hauptgefahr der Umdeutung des 22. Juni 1941. Wir ziehen keine einfache Parallele zum Säbelrasseln der NATO an den russischen Grenzen heute. Die NATO ist nicht die faschistische Wehrmacht und Russland ist nicht die sozialistische Sowjetunion. Die bedingungslose Russland-Solidarität überlassen wir rechten Kräften, die damit nur ihre einseitige Kritik an den USA begründen und deutsche Verfehlungen nach bester nationalistischer Manier außen vor lassen. Die USA sind nicht das einzige Land, das kapitalistische Interessenpolitik betreibt. Die offizielle Bundesrepublik Deutschland steht ihnen mit ihrer Aufrüstung und ihrem Bestreben, überall in Krisengebieten militärisch dabei zu sein, in nichts nach. Wir fordern aber von den Verantwortlichen in Deutschland,

  • ihre Unterstützung für die Truppenaufmärsche an den russischen Grenzen zurückzuziehen. Säbelrasseln provoziert und erhöht die Kriegsgefahr.

  • der ideologischen Aufrüstung von rechts entgegenzutreten. Auch der 22. Juni 1941 wurde durch antidemokratische Ideologien und rassistische Propaganda vorbereitet. Rechte Umtriebe gewähren zu lassen, ist eine Garantie für künftige Kriege.

  • die Anerkennung der Verbrechen des faschistischen Überfalls und der sowjetischen Opfer des Krieges ohne Ablenkung auf die immer wieder von Nationalisten besetzten Themen der deutschen Kriegsgefangenen sowie die Flucht und Vertreibung Deutscher. Diese Anerkennung muss auch gegenüber den Regierungen Russlands und der anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion geäußert werden und sie müssen in internationale Gedenkveranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg einbezogen werden, auch wenn das für die offizielle Tagespolitik unbequem ist. Nur so schafft man die Basis für ein friedliches Miteinander in Zukunft.