Die dritte Veranstaltung der Reihe >Ilja Ehrenburg: Leben und Werk<< fand am Dienstag dieser Woche (20.11.2007) statt. Aus technischen Gründen nicht in der HMT, sondern in der Kleinkunstbühne des >>Ursprung<< am Alten Markt, aber auch dieser - ebenfalls kunstaffine - Raum bildete einen angenehmen Rahmen für das, was Eveline Passet, Übersetzerin und Rundfunkautorin, als Referentin und Mathias Anding, Student im Lehramtsfach Darstellendes Spiel, als Rezitator boten.
Eveline Passet stellte in einer Fülle von Details die doppelte Editionsgeschichte der Ehrenburg-Memoiren in ihren deutschen Übersetzungen vor: In der Bundesrepublik bildeten die so genannten Schwabinger Krawalle und die Spiegel-Affäre (beide 1962), häufig als Marksteine einer Liberalisierung der Gesellschaft bezeichnet, ihr Umfeld. Die Veröffentlichung durch den Münchner Kindler Verlag löste eine Kampagne der >>Deutsche Soldaten-Zeitung und National-Zeitung<< (Herausgeber: Gerhard Frey, heute Vorsitzender der DVU) aus, die in nazistischen Morddrohungen gegen den Verleger Helmut Kindler gipfelten, aber auch einen Boykott von Buchhandlungen, welche die Ehrenburg-Memoiren anboten, umfasste.
Der DDR-Führung war Ehrenburg spätestens seit seinen Memoiren suspekt geworden, da sie einiges mehr enthielten, als das kanonische Geschichtsbild umfasste; für viele Anwesende sehr informativ waren daher auch Eveline Passets Ausführungen zum Schicksal des Lektors Ralf Schröder, als dessen Lebenswerk die Herausgabe der vierzehn Bände Ehrenburg im Verlag Volk und Welt gelten kann. Mathias Anding gab einen Einblick in Ehrenburgs lyrisches Schaffen, das auf Deutschland schon 1915 (>>Ich liebe deutsche alte, kleine Städte...<<) Bezug nimmt.
In der Diskussion bewies sich die Editionsgeschichte als Exempel für den deutschen Umgang mit Ehrenburg: Auch hier wurden ausgehend von Detailfragen noch einmal Zerrbilder analysiert.
Eveline Passet ist Übersetzerin der französischen Ehrenburg-Biographie von Lilly Marcou und hat 1997 zusammen mit Raimund Petschner die Ausstellung >>Ilja Ehrenburg und die Deutschen<< im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst erarbeitet. Die Initiative Ilja Ehrenburg verdankt ihr bereits mehrere Anregungen für ihre weitere Wirksamkeit. Ihr Rostocker Vortrag wird in der Zeitschrift >>Osteuropa<< erscheinen.
Übrigens: In zeitlicher Nähe zu dieser Veranstaltung sind in einigen Stadtteilen Rostocks Aufkleber mit dem Text >>Ilja-Ehrenburg-Straße abschaffen! / Rostock sagt NEIN / Antideutschen Hetzern keine Plattform geben!<< aufgetaucht.
Die nächste Veranstaltung der Reihe >>Ilja Ehrenburg: Leben und Werk<< findet am 16. Dezember um 17 Uhr in der Jüdischen Gemeinde, Augustenstraße 20, statt. Prof. Arkady Tsfasman spricht über Ehrenburgs Wirken als Antifaschist. Der Vortrag wird in russischer Sprache gehalten, eine Übersetzung ins Deutsche ist gewährleistet.