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Unterstützung für Offenen Brief: Verfolgung ehemaliger jüdischer Partisanen in Litauen einstellen!

Die Initiative Ilja Ehrenburg hat einen Offenen Brief unterzeichnet, der die Einstellung laufender Ermittlungen der litauischen Staatsanwaltschaft gegen ehemalige jüdische Partisanen fordert und demnächst den gegenseitigen diplomatischen Vertretern der BRD und Litauens sowie dem Europäischen Parlament übersandt werden soll.

Jüdische Partisanen, die im Großen Vaterländischen Krieg Stellungen der faschistischen Invasoren bekämpften, werden verdächtigt, litauische Zivilisten ermordet zu haben.

Es handelt sich offenbar um einen politisch motivierten Versuch der Umdeutung sowjetischer Geschichte: Unter Instrumentalisierung der Justiz soll jüdischer Widerstand diskreditiert, litauische Kollaboration mit den faschistischen deutschen Besatzern relativiert und nationaler Stolz angefacht werden.

Einige Hintergrundinformationen liefern folgende beim Kasseler Friedensratschlag dokumentierte Presseartikel:

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Litauen/partisanen.html

http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Litauen/juden.html

Die Initiatorinnen des Offenen Briefes sind als Historikerinnen einschlägig ausgewiesen.

Für die Arbeit der Initiative Ilja Ehrenburg ist der Einsatz gegen Geschichtsrevisionismus und Antisemitismus ein konstituierendes Element. Ilja Ehrenburg selbst war ein konsequenter Streiter gegen antisemitische Politik. Zu seinen Hauptleistungen zählt die Arbeit an der Zusammenstellung und Redaktion des >>Schwarzbuches<< über den Genozid der faschistischen Besatzer an den sowjetischen Juden. Er war bis in seine letzten Jahre derjenige, an den sich die Juden der Sowjetunion mit ihren alltäglichen Problemen am vertrauensvollsten wandten. Gleichzeitig wusste er als Abgeordneter des Obersten Sowjets für Lettgallen, ein Gebiet im sowjetischen Baltikum, um die Lage der dortigen russischen Bevölkerung und trug sein Teil dazu bei, ihre Lebensverhältnisse zu verbessern.

Wir unterstützen auch die Verbreitung von Wissen darüber, dass Juden im Großen Vaterländischen Krieg nicht nur Opfer, sondern aktiv im Widerstand waren. Auch in den litauischen Ghettos gab es Untergrundorganisationen und bewaffnete Gruppen. In Litauen kämpften zeitweise sieben jüdische Partisaneneinheiten, eine von ihnen über 200 Mitglieder stark. Insgesamt stellten Juden 7,5% der Gesamtzahl der litauischen Partisanen. Zusammen mit den sowjetischen Truppen befreiten sie das Land.

Wir unterzeichnen den Offenen Brief. Unsere Solidarität gilt den von den Repressalien Betroffenen.

Für alle, die dem Offenen Brief ebenfalls ihre Unterschrift geben wollen: Laut Auskunft der Initiatorinnen ist eine Unterzeichnung noch bis Ende September möglich. Die Unterzeichnungsfrist wurde verlängert, da der Brief erfreulich viel Interesse und Zustimmung gefunden hat.

Nachfolgend der Text des Offenen Briefes:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,

anbei ein offener Brief, mit dem wir bis Anfang September Unterschriften sammeln, um ihn dem litauischen Botschafter in Berlin, dem deutschen Botschafter in Litauen und dem Europaparlament zuzusenden.

Bitte schicken Sie Ihre Zusage für die Unterstützungsunterschrift mit vollem Namen, Ihrem Wohnort und Ihrer Berufsbezeichnung bzw. mit der Angabe der Institution oder Einrichtung an folgende Mailadresse: Offener-Brief.Litauen@gmx.de

 

Wir fordern die Einstellung der Ermittlungen gegen ehemalige jüdische Partisanen in Litauen

Seit Anfang dieses Jahres ermittelt die Staatsanwaltschaft in Litauen gegen ehemalige jüdische Partisaninnen und Partisanen , die während des Zweiten Weltkriegs gegen die deutsche Besatzungsmacht gekämpft haben. Die Behauptung der Staatsanwaltschaft, dass >>Hunderte Zeugen befragt wurden<<, täuscht über die Tatsache hinweg, dass ausschließlich jüdische Namen in den Medien auftauchen, vor allem die von Yitzhak Arad, Fania Brantsovsky und Rachel Margolis. Sie werden in Zusammenhang mit Partisanenaktionen genannt, bei denen litauische Zivilisten umgekommen sind und als deren Urheber die Justizbehörden >>Terroristen<< und >>Mörder<< ausgemacht haben. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Ermittlungen darauf ausgerichtet sind, die öffentliche Meinung in Litauen dahingehend zu beeinflussen, dass primär Juden für die litauischen Opfer von Partisanenaktionen verantwortlich sind. Auf diese Weise soll die antisowjetische bzw. antirussische Stimmung in Litauen eine antijüdische Stoßrichtung erhalten.

Es sei daran erinnert, dass die jüdischen Anti-Nazi-Partisanen zuvor Gefangene in den Ghettos waren, die von den deutschen Besatzern und ihren litauischen Kollaborateuren eingerichtet wurden; sie kämpften bewaffnet gegen die nationalsozialistische Herrschaft in autonomen jüdischen Gruppen oder sowjetischen Partisaneneinheiten und trugen damit zum Sieg der alliierten Streitkräfte gegen Nazi-Deutschland bei.

Aktuell wird in den Massenmedien bewusst das negative Image jüdischer Partisanen konstruiert. Medien und Justiz bedienen sich dabei des gleichen Stereotyps, das in den Jahren der deutschen Besatzung der massenhaften Beteiligung von Litauern am Massenmord an der jüdischen Bevölkerung zugrunde lag: Juden werden mit Kommunismus, dem sowjetischen System und sowjetischen Partisanen identifiziert.

Dem gegenüber wird gegen die litauischen Kollaborateure der deutschen Besatzer, die für die Ermordung von 220.000 Juden in den Jahren 1941 bis 1944 mitverantwortlich sind, nicht ermittelt. In den 18 Jahren der Unabhängigkeit Litauens ist kein einziger Nazi-Kollaborateur belangt worden.

Die litauische Staatsanwaltschaft steht offenbar unter politischem Druck. So wurde Fania Brantsovsky aufgrund der Anfrage eines Abgeordneten der Vaterlands-Partei zur Ermittlungsbehörde vorgeladen. Die Tatsache, dass die vom Präsidenten der Republik Litauen gegründete >>Internationale Kommission zur Ermittlung von Verbrechen des nationalsozialistischen und des sowjetischen Okkupationsregimes in Litauen<< ihr eigenes Mitglied Yitzhak Arad und die anderen jüdischen Anti-Nazi-Partisanen nicht öffentlich verteidigte, ist äußerst befremdlich.

Offensichtlich wird derzeit in Litauen in einer antisemitischen Stimmungsmache die Geschichte des Holocaust umgeschrieben und die ehemals Verfolgten werden als Täter verdächtigt.

Wir fordern, die Verfolgung ehemaliger jüdischer Partisanen sofort einzustellen!

Die Europäische Kommission sollte ihren Entschluss, Vilnius, die Hauptstadt Litauens, zur Kulturhauptstadt 2009 zur erklären, überdenken. Einem Land, in dem antisemitische Stimmungsmache in Politik, Justiz und Medien derart breiten Raum einnehmen kann, steht eine solche Auszeichnung nicht zu.

Berlin, den 31. Juli 2008

Erstunterzeichnerinnen/-unterzeichner:

Dr. Franziska Bruder, Historikerin, Berlin; PD Dr. Susanne Heim, Historikerin, Berlin; Dagi Knellessen, Erziehungswissenschaftlerin, Berlin; Dr. Gudrun Schroeter, Literaturwissenschaftlerin, Berlin