Sie sind hier

Für die Maidemonstration 2011 in Rostock - ein Redebeitrag

Liebe Freundinnen und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte euch herzlich grüßen vom Rostocker Friedensbündnis und einige Gedanken dazu äußern, was der 1. Mai, und gerade der 1. Mai 2011, mit dem Frieden zu tun hat.

 
Dass Gewerkschaften für das, was sie vertreten, den Frieden brauchen, ist keine neue Erkenntnis. Sie haben ihn deshalb auch immer mit erkämpft, wo sie sich für soziale Gerechtigkeit und eine fortschrittliche gesellschaftliche Entwicklung eingesetzt haben. Das gilt überall auf der Welt.
 
In diesen Tagen bewegt uns besonders die Demokratiebewegung im arabischen Raum. Die Menschen dort kämpfen gegen despotische Regime. In Ländern wie Ägypten und Syrien hat jahrzehntelang der Ausnahmezustand gegolten. Gewerkschaftliche Betätigung war unter diesen Bedingungen kaum möglich. Wenn, dann gab es Einheitsgewerkschaften, vom Staat korrumpiert. Der „Westen“ wusste das. Aber auch dieser Aspekt der politischen und sozialen Lage in diesen Ländern hat ihn offenbar nicht gekümmert. Wie viel wert ist also jetzt sein „Einsatz“ für Demokratie zum Beispiel in Libyen?
 
In Bahrain ist jetzt die Gewerkschaftszentrale geschlossen worden. Auf den darauffolgenden Generalstreik hin wurde das Kriegsrecht verhängt. Warum wird dort eigentlich keine Flugverbotszone eingerichtet? Weil US-Militär dort schon steht? Weil es dort eine Freihandelszone bereits gibt?
 
Auf dem Plakat der Faschisten zu ihrem heutigen Aufmarsch in Greifswald sind unter der Überschrift „Fremdarbeiterinvasion stoppen“ nicht nur „bedrohliche“ Pfeile aus Richtung Polen und Tschechien auf Deutschland gerichtet. Kleinere Pfeile kommen auch aus Nordafrika. Diese „Aktualisierung“ der Propaganda für den Aufmarsch, der sich ja eigentlich gegen die so genannte Arbeitnehmerfreizügigkeit für die so genannten osteuropäischen Länder richtet, ist nicht nur Ausdruck des gewöhnlichen Rassismus der Faschisten. Hier soll Solidarität unterbunden werden. Die Menschen im arabischen Raum wollen politisch frei und sozial gesichert, also menschenwürdig, leben. Sie haben Geringschätzung und Angst nicht verdient. Sie werden unsere Arbeitsplätze nicht bedrohen – das tut vielmehr die Sozialgesetzgebung der BRD. Sie brauchen unser Verständnis dafür, dass sie auch unsere Anliegen vertreten, und unsere Unterstützung. Tragisch genug, dass in diesen Tagen gerade diejenigen über das Meer fliehen, die im relativ wohlhabenden Libyen als ausländische Arbeitskräfte ihr Auskommen gesucht haben und nun in den Krieg hineingeraten sind, den die imperialistischen Staaten gegen ihren früheren Günstling Gaddafi führen! 
 
In Kairo wurde auf dem Tahrir-Platz ein neuer Gewerkschaftsverband gegründet. Parallel zu den medienwirksamen Ereignissen im Zentrum der Hauptstadt gab es überall in den großen Fabriken des Landes Streiks. Eine neue Arbeiterpartei ist entstanden. In Tunesien standen 4.500 Metallarbeiter im politischen Streik. Gewerkschafter sind im Nationalrat zur Verteidigung der Revolution vertreten. Im Juli soll gewählt werden. Wünschen wir den tunesischen Kolleginnen und Kollegen viel Erfolg für einen Neubeginn in ihrem Land!
 
 
Und in Libyen? In Libyen sind Parteien verboten, Gewerkschaften sind staatlich gelenkt. Wer aber die mit dem romantischen Wort Rebellen belegten Aufständischen sind, ist unsicher. Ihre Symbolik ist missdeutig, ihre Basis in der Bevölkerung ist ungeklärt. Über ihr Gesellschaftsmodell weiß niemand hier etwas. Tun sie mehr, als eine bewaffnete Opposition gegen Gaddafi darzustellen? Rechtfertigt ihr Schutz Versuche von Waffenlieferungen aus dem Ausland? Rechtfertigt ihr Schutz „Kollateralschäden“ an der libyschen Zivilbevölkerung? Kann man Demokratie herbeibomben? Oder will man den Weg freibomben für die ungestörte Ausbeutung der Ressourcen der Region und strategische Positionen in einer Welt sozialer Umbrüche und neuer gesellschaftlicher Perspektiven?
 
 
Lasst uns sehr genau beobachten, was sich in dieser Weltgegend tut, und auch, wie die offizielle Bundesrepublik agiert. Gewerkschaftliche Proteste gegen die indirekte Beteiligung der BRD am Krieg gegen Libyen stehen noch aus. Bisher protestieren nur die Kriegstreiber. Eine aus dieser Kriegsbeteiligung folgende weitere Beschneidung der Freiheitsrechte im Innern der BRD wird die soziale Situation weiter verschärfen und die Durchsetzung gewerkschaftlicher Forderungen, wie sie gerade am 1. Mai formuliert werden, noch dringlicher machen. Friedensbewegung und Gewerkschaften sind wohl selten so klar wie heute gemeinsam gefordert, sich zu internationalen Themen eine Meinung zu bilden und ihre Politik an ihnen zu überprüfen.
 
Und natürlich senden wir einen besonderen Gruß der Solidarität an alle, die heute in Greifswald den faschistischen Aufmarsch blockieren!